Kann man als Angehöriger selbst eine Trauerrede mit KI schreiben?

Vielleicht stehen Sie gerade an einem Punkt im Leben, an dem alles stillzustehen scheint. Ein geliebter Mensch ist gestorben. Der Kopf ist voll, das Herz schwer – und doch muss so vieles organisiert werden. Oder vielleicht ist ein naher Angehöriger schwer krank und Sie denken darüber nach, wie das gehen kann, wenn…
Sie sitzen da, mit einem Notizblock in der Hand. Der Computer ist offen. Sie haben ‚Trauerrede schreiben mit KI‘ bei Google eingegeben…“ Es klingt möglich: Schnell, kostenlos, unkompliziert. Einige Daten eingeben, Knopf drücken – fertig. Und dann selbst vorlesen bei der Trauerfeier.

Aber ist das wirklich der richtige Weg für einen so besonderen, so persönlichen Abschied?

Im Folgenden möchte ich zehn Gründe zu bedenken geben, die dagegen sprechen, dass Angehörige selbst die Trauerrede mit Hilfe von KI erstellen und dann vorlesen.

(1) Das Trauergespräch ist genau so wichtig wie die Trauerfeier selbst – verzichten Sie nicht darauf!

Das Gespräch mit einer Trauerrednerin ist nicht nur Vorbereitung, nicht nur Informationen sammeln für die Rede. Es ist oft ein erster Schritt, Erinnerungen zu ordnen, Gefühle zuzulassen, Abschied zu begreifen. Wenn wir zusammen sitzen, können Sie tief in Ihre Erinnerungen eintauchen, weinen und lachen, Geschichten erzählen; wir schauen miteinander Fotos an, wir lernen einander ein bisschen kennen. So können Sie Vertrauen fassen, dass Sie am Tag der Trauerfeier in guten Händen sind. So oft sagen mir Angehörige nach dem Gespräch – „das hat jetzt aber gut getan.“

Der Wunsch, „alles selbst zu machen“, kann aus einem Verantwortungsgefühl oder Schuld heraus entstehen. KI scheint da eine einfache Lösung. Doch es bleibt dabei: Trauer ist kräftezehrend. Sich selbst zusätzlich die Aufgabe der Rede zuzumuten, kann eine unnötige Belastung sein.

(2) „Das Wort, das Dir hilft, kannst Du Dir nicht selbst sagen…“ (äthiopisches Sprichwort)

Ohne Trauergespräch kann in der Rede nur vorkommen, was Ihnen jetzt im Moment bewusst ist. Die Gefahr ist, dass Sie sich entweder in Emotionen verlieren, oder dass Sie nur die kalten Fakten notieren. Als ich selbst dran saß, mir Gedanken über die Trauerrede für meinen Vater zu machen, habe ich gemerkt, wie unheimlich schwer es ist, einen klaren Gedanken zu fassen, meinen Vater zu beschreiben, über das hinaus, was er für mich war und welche Schwierigkeiten wir auch immer mal wieder miteinander hatten. Wie sollte ich da gleichzeitig auch den anderen Familienmitgliedern gerecht werden?

Im Gespräch kommen wir immer noch auf viele andere Dinge, an die Sie vorher möglicherweise gar nicht gedacht hatten; für die es ein ausführliches Gespräch braucht, weil sie zum Beispiel durch eine lange Pflegezeit in der Erinnerung „nach hinten gerutscht sind“.

Die persönliche Begegnung ist wichtig. Das kann keine KI leisten. Den Händedruck, die Worte, die die Seele erreichen. KI stellt keine einfühlsamen Fragen, schweigt nicht mit Ihnen, lacht nicht mit Ihnen, nimmt sie nicht in den Arm. All das kann nur ein Mit-Mensch!

Auch wenn KI etwas „Hilfreiches“ produziert, fehlt der geschützte Raum, in dem Emotionen auffangen werden. Ein Mensch spürt, wenn jemand überfordert ist, wenn eine Pause nötig ist – und kann entsprechend reagieren. Dieser Aspekt ist besonders wichtig bei Angehörigen, die mit Schuldgefühlen, offenen Fragen oder ungelösten Konflikten kämpfen.

(3) KI stellt sich am Tag der Trauerfeier nicht vorne ans Pult

KI kann es Ihnen nicht abnehmen, dass Sie sich am Tag der Trauerfeier mit der von KI erstellten Rede selbst ans Pult stellen. Das müssten Sie als Angehöriger dann selbst machen. Oder einen guten Freund bitten. Das ist für viele Menschen eine Überforderung. Selbst professionelle TrauerrednerInnen wie ich vermeiden es, die Trauerrede bei nahen Familienangehörigen oder sehr guten Freunden selbst zu halten. Weil man dann keinen Raum für die eigene Trauer mehr hat. Man kann sich nicht fallen lassen. Man versucht, allen gerecht zu werden.
Selbstverständlich können Sie bei der Trauerfeier ein paar Minuten selbst sprechen, wenn Sie das möchten, sich an die Trauergäste oder Ihren verstorbenen Menschen wenden. Dafür bin ich gerne Ihr Notnagel, wenn Sie Angst haben, die Fassung zu verlieren. Aber die ganze Trauerfeier zu leiten und zu gestalten, davon würde ich Angehörigen abraten.

(4) Ein Trauerredner kann auch mal Sündenbock sein

Was ich damit meine? In vielen Familien gibt es kleine oder größere Schwierigkeiten mit einzelnen Familienangehörigen. Die Geschwister, die jahrelang keinen Kontakt hatten, und jetzt doch auf der Trauerfeier sind. Menschen, von denen Sie sich Unterstützung gewünscht hätten, die sich aber im Heim nie blicken ließen… Der Vereinskamerad, der unbedingt noch ein paar Worte sagen will, was aber gar nicht in Ihrem Sinne ist.

Wenn in der selbst erstellten Trauerrede Dinge drinstehen, die einzelne Familienmitglieder vielleicht kränken, dann sind Sie selbst verantwortlich. Habe ich die Rede gehalten, können Sie immer sagen – das hat die Trauerrednerin falsch verstanden. Das haben wir so nicht gesagt…

(5) KI kann nicht improvisieren, wenn was schiefgeht

Immer mal wieder gibt es Pannen, auch wenn alles noch so gut organisiert ist. Davon kann jeder erzählen, der professionell mit Trauerfeiern zu tun hat. Gut, wenn man dann Profis an der Seite hat, BestatterIn / TrauerrednerIn, Fachleute, die eine Situation retten können. Der Organist erscheint nicht. Es wird das falsche Lied gespielt. Jemand stört die Feier. Jemand bricht zusammen und muss versorgt werden. Oder nicht so dramatisch – neulich bekam eine der Hauptangehörigen einen Hustenanfall und ich habe mal schnell die Struktur der Trauerfeier umgestellt, damit sie gehen konnte und sich ein Wasser aus dem Auto holen.

(6) Eine Trauerfeier besteht nicht nur aus der Rede, sondern ist ein Ritual

Eine Person, die das Ritual mit viel Erfahrung leitet, gibt Sicherheit. Der oder die durch die einzelnen Elemente führt (Worte, Musik, Stille, rituelle Handlungen wie das Entzünden einer Kerze, das Niederlegen der Blumen). Manchmal entstehen im Trauergespräch auch Ideen für besondere Rituale, die genau zu Ihrem verstorbenen Menschen passen. Das sind dann oft die Momente, an die sich Trauergäste oft nach Jahren noch erinnern. Ein guter Trauerredner, eine gute Trauerrednerin hat hier aufgrund langjähriger Erfahrung, was funktioniert und was nicht, viele Ideen für Sie.

(7) Datenschutz ist nicht garantiert

Die Informationen, die in KI-Tools eingegeben werden, können gespeichert oder weiterverwendet werden. Persönliche Details über einen verstorbenen Menschen und die Familie gehören nicht auf Server fremder Unternehmen. Es geht auch hier um Würde – über den Tod hinaus. Sollten Sie also eine Trauerrede per KI erstellen wollen, geben Sie bitte keine persönlichen Daten ein, sondern verwenden andere Namen, die dann im fertigen Dokument ersetzt werden.

Gerade auch bei schwierigen Familienkonstellationen, Spannungen, Entfremdung von Familienangehörigen, die aber bei der Feier sein werden, ambivalenten Lebensentscheidungen des verstorbenen Menschen, Alkoholmissbrauch, Drogen oder dramatischen Todesumständen dürfen Sie bei mir sicher sein, dass alles, was Sie mir erzählen, vollkommen vertraulich behandelt wird. Und dass ich meine Worte für die Trauerfeier wirklich auf die Goldwage lege, damit die Rede wahrhaftig sein kann, aber dennoch nicht alles gesagt werden muss, was im Gespräch Thema war. Hier ist menschliches Fingerspitzengefühl unverzichtbar.

(8) KI liefert oft Kitsch

Warum ist das so? Sie müssen sich vorstellen, dass KI auf die gesammelten Texte des Internets zugreift. Ein Text wird dadurch erstellt, dass das nächste Wort im Text immer das nächstwahrscheinliche ist. So werden natürlich auch Worthülsen und Phrasen in die Texte übertragen, genau das, was gute Redner zu vermeiden suchen. Viele der vorliegenden Texte im Netz sind Englisch. Wenn man Englisch eins zu eins ins Deutsche überträgt, dann ist die Tonalität oft zu übertrieben. Die deutsche Sprache ist sachlicher, auch bei emotionalen Texten. Noch hört man den durch KI erstellten Texten das meist an.

(9) Der Moment des Abschieds ist einmalig und nicht wiederholbar

Es gibt keine zweite Chance für diese Abschiedsfeier. Diese Stunde verdient Aufmerksamkeit, Wärme und Worte, die wirklich berühren. KI-Texte wirken oft freundlich und glatt – aber häufig auch austauschbar. Eine Trauerrede sollte so einzigartig sein wie der Mensch, um den es geht. Sätze können perfekt klingen – und dennoch leer bleiben. Echtheit zeigt sich oft in kleinen Pausen, im ehrlichen Ausdruck. Im Berührtwerden vom Augenblick.

(10) Können Sie wenigstens für die Vorarbeit KI zu Hilfe nehmen?

In den letzten Monaten ist immer wieder vorgekommen, dass Angehörige mir einen über KI erstellten Lebenslauf in die Hand gedrückt haben, mit der Bitte, ihn vorzulesen. In der Meinung, dass damit dann das Meiste schon geschafft ist.

Aber eine gute Trauerrede ist kein Lebenslauf, sondern ein Portrait Ihres verstorbenen Menschen. Es können wichtige Lebensereignisse darin vorkommen, müssen aber nicht.

Einen bereits bestehenden Text zu überarbeiten, so dass man ihn als Rednerin gut vortragen kann, auch wenn es nicht die eigenen Worte sind, kann genauso viel Arbeit machen, wie den Text gleich selbst zu schreiben. Hoffentlich besser, als KI das kann. Sie nehmen also der Rednerin dadurch gar keine Arbeit ab. Wenn Sie sich eine Fachfrau holen, dann lassen Sie sie doch ihre Arbeit machen. Dafür ist sie da, dafür hat sie – wie im Fall von mir – 20 Jahre Erfahrung im Schreiben und Halten von Trauerreden gesammelt, das sind fast 3000 individuelle Reden!

Am besten ist immer, wenn ich mich mit den Angehörigen einfach unterhalten kann, sie grad heraus erzählen, ohne schon zu überlegen, ob das in eine Trauerrede passt. Nur so kommt man auf das, was bei einem Menschen wirklich wichtig war – ob das der köstliche Erdbeerkuchen ist, den Oma Anna immer gemacht hat oder Onkel Emils roter Wanderhut, der auf jeder Tour mit dabei sein musste…

Was ist die Alternative?

Die gute Nachricht ist: Sie müssen diesen Weg nicht allein gehen.
Einfühlsame Rednerinnen und Redner nehmen sich Zeit. Sie hören zu, stellen die richtigen Fragen, lassen Raum für Trauer, für Erinnerungen – für das, was wirklich gesagt werden will.
Sie schreiben nicht für „eine verstorbene Person“ – sondern für Ihre Mutter, Ihren Vater, Ihren Mann, Ihr Kind, Ihren Freund… Mit Worten, die tragen, trösten und erinnern.

Und sie sind für Sie da in einer schwereren Stunde – zum Festhalten…

Wir konnten uns anlehnen…

Sie haben ein großes Pflaster auf meine Seele geklebt…

Danke!

Ein trauernder Mensch hat ohnehin sehr viel zu tun: Behördengänge, Formalitäten, Familie versorgen, eigene Trauer verarbeiten. Trauerredner und Trauerrednerinnen nehmen Ihnen Arbeit ab – nicht nur emotional, sondern auch organisatorisch. Diese Entlastung darf man sich selbst gönnen.

Wenn Sie gerade überlegen müssen, wie Sie Abschied nehmen können – vielleicht hilft Ihnen dieser Text, eine Entscheidung zu treffen, die sich gut und richtig anfühlt.

Haben Sie Fragen oder sind unsicher, wie es weitergehen kann?
Ob Sie gerade mitten im Abschied stehen oder sich langsam vorbereiten – ich bin für Sie da. Schreiben Sie mir gerne oder rufen Sie mich an. Ihre Bettina Sorge

Tel. 0911 9 77 99 280. Oder bettina.sorge@web.de


Wer schreibt hier?

Bettina Sorge, seit 2005 Trauerrednerin, vorher fünf Jahre als Bestatterin tätig

Einzugsgebiet: Erlangen, Fürth, Nürnberg, Mittelfranken

Engagiert bei der BATF e.V., Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerfeier

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