Wie wird man eigentlich Trauerrednerin? Teil 1

Dieses Jahr darf ich mein 20-jähriges Jubiläum als Trauerrednerin feiern. Meine erste Trauerrede habe ich am 29. April 2005 gehalten.

Aber eigentlich hat alles noch viel früher angefangen. Für mein Jubiläum tauche ich nochmal tief in die Vergangenheit ein, habe dafür in alten Tagebüchern geblättert. Wenn Sie mögen, nehme ich Sie mit.

Trauer um meine Omas

Den ersten Anstoß, mich mit dem Thema Tod und Trauer zu beschäftigen, bekam ich bei der Trauerfeier für meine Oma väterlicherseits. Die „kleine Oma“, wie sie bei uns hieß, ist mit unglaublichen 102 Jahren gestorben; sie war seit vielen Jahren dement und pflegebedürftig.

Ich fand den Umgang des Bestatters mit uns Angehörigen katastrophal (er hat tatsächlich den Scherz gemacht, die Oma wäre „brav gewesen heute Nacht“, im Leichenschauhaus…). Auch den Trauergottesdienst fand ich langweilig, pathetisch und unpersönlich.

Wo war die Würdigung für meine Tante, die meine Oma so viele Jahre gepflegt hatte? Und was hätte man nicht alles über dieses Leben erzählen können und müssen? 102 Jahre: zwei Kriege miterlebt, die Flucht aus der alten Heimat Westpreußen über die Ostsee, zwei Männer begraben, vier Kinder großgezogen, immer wieder von vorne angefangen.

Eine kleine große Frau, die ihr Leben bis zur Neige gelebt hat. Ihr Tod war Erlösung für sie selbst und auch für die Familie.

Zu dieser Zeit war klar – meine Oma mütterlicherseits, die „große Oma“, hat Krebs und es ist unklar, wie lange sie noch zu leben hat. Ich dachte damals: Abschiednehmen muss doch auch anders gehen – persönlicher, liebevoller, würdigender. Nur wie?

Der erste Schritt:
1997 – Tagung „Das letzte Geleit geben“ – Sterbe-, Begräbnis- und Trauerrituale in Stuttgart – in der Krise?

Zu dieser Tagung habe ich mich spontan angemeldet, um vielleicht ein Stück weit zu verstehen, ob Abschiednehmen auch anders gehen kann. Ich bekam Einblick in den Beruf des Bestatters und vor allem durfte ich Herrn Rüdiger Reiz, evangelischer Pastor und Bestatter, kennenlernen, der den einen Satz gesagt hat, der mein Leben in den kommenden Jahren mehr als alles andere prägen sollte. „Wir brauchen Spezialagenturen für Riten in Übergangszeiten.“ Auch Fritz Roth durfte ich kennenlernen, den bekannten Bestatter aus Bergisch-Gladbach sowie Klaus Behner aus Hamburg, der damals schon sein Institut für Ritus, Fest und Feier gegründet hatte. So etwas ähnliches konnte ich mir auch vorstellen. Aber ist das ein Beruf, von dem man leben kann?

Der zweite Schritt:
1998 Praktikum beim Bestattungshaus Begleitung e.G. in Köln

Genau in dem Institut, das Rüdiger Reitz mitbegründet hat, durfte ich ein Praktikum machen. Es waren vier für mich überwältigende Wochen, eine Gefühlsachterbahn. Ich habe den ersten verstorbenen Menschen gesehen und angefasst. Eine an Krebs verstorbene Frau.
Ich war beim Versorgen und Einbetten dabei, habe zum ersten Mal mit Riesenherzklopfen bei einer Trauerfeier die Musik aufgelegt, immer in Angst, meinen Einsatz zu verpassen. Ich durfte bei Angehörigengesprächen und Überführungen dabei sein, habe intensive Gespräche geführt und mich immer wieder gefragt, ob ich für diesen Beruf geeignet wäre. Wenn ich jetzt an diese Zeit zurück denke, dann wird mir klar, was für ein weiter Weg schon hinter mir liegt. Damals tat sich eine mir fremde Welt auf, die dann langsam Heimat wurde. Heute kann ich sagen – ja, der Friedhof ist mein Arbeitsplatz, den ich liebe. Genauso wie die Zusammenarbeit mit den Bestattern, die ich seit vielen Jahren kenne. Wir arbeiten zusammen, damit die Angehörigen sich ganz aufs Abschiednehmen konzentrieren können und sich fallen lassen dürfen.

Weitere kleine Schritte auf dem Weg:

  • Trauerumwandlungsseminar bei Jorgos Canacakis, ein intensives Wochenende in Salzburg
  • Praktikum beim Hospiz Stuttgart, das Kennenlernen der Hospizarbeit
  • Besuch bei Grünewald und Baum, zwei engagierten Bestatterinnen in Mainz

Ein Riesenschritt: Eine Stuttgarter Bestatterin schreibt: „Wo ist meine rechte Hand?“

Ich melde mich und sie stellt mich ein. Die nächsten fünf Jahre arbeite ich tatsächlich in einem Bestattungshaus mit. Wenn ich an diese Jahre zurückdenke, dann kommen Gefühle von Überforderung wieder hoch, aber auch Gefühle von absoluter Erfüllung. Was für eine Zeit! Über diese Zeit werde ich in meinem nächsten Blogartikel berichten.

Wer schreibt hier?

Bettina Sorge, seit 2005 Trauerrednerin, vorher fünf Jahre als Bestatterin tätig

Einzugsgebiet: Erlangen, Fürth, Nürnberg, Mittelfranken

Engagiert bei der BATF e.V., Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerfeier

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