Friedhofswege

Der Weg von der Feierhalle zum Grab kann manchmal ganz schön lang sein. Auf dem Nürnberger Südfriedhof, dem größten Friedhof der Stadt, geht man von der Aussegnungshalle bis zu der Stelle, wo die Baumbestattungen stattfinden, gut 20 Minuten. Meistens genieße ich den Weg zum Grab. Ich kann Tiere beobachten, Vögel, Eichhörnchen, manchmal sogar Hasen oder Kaninchen, es fallen mir ungewöhnliche Namen auf den Grabsteinen ins Auge oder besonders schön und liebevoll gepflegte Gräber.

Im Frühjahr halten sich die Augen an den emporsprießenden Frühlingsblühern fest, Winterlinge und Krokusse spitzen aus der Erde und bringen die Hoffnung auf schöne warme Tage.
Im Sommer muss ich manchmal in der schwarzen Trauerkleidung ganz schön leiden, hoffe, dass die Grabstätte nicht in der vollen Sonne liegt und habe dafür lange nach einem beerdigungstauglichen Hut gesucht.
Besonders schön sind die Wege an den goldenen Herbsttagen, wo es so riecht, wie es eben nur im Herbst riecht. Nach welken Blättern, nach Erde und Wind, und wo jeder Sonnenstrahl wie eine Liebkosung die Haut streichelt.
Im Winter friere ich mir dafür manchmal die Beine in den Bauch und würde gerne schneller gehen, aber so ein Trauerzug hat eben seine eigene Geschwindigkeit und die richtet sich nach dem langsamsten Mitglied des Trauerzuges.

Interessant ist auch, wie die Angehörigen des verstorbenen Menschen miteinander auf dem Weg sind, dem Sarg oder der Urne folgend. Manche gehen schweigend, andere unterhalten sich. Manchmal trägt nicht der Friedhofsangstellte, sondern ein Familienmitglied die Urne, manchmal wechseln sich die Menschen sogar ab, jeder trägt ein Stückchen, das finde ich sehr schön.

Diese Wege sind Teil meiner Arbeit – und ich versuche, sie bewusst zu gehen.

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